Page 54 - Wostok-Sonderausgabe über Tadschikistan
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Länderspezial Tadschikistan
n der alten Geschichte und Blasinstrumenten zählen Nai,
Kultur des tadschikischen Surnai, Schaipur, Nafir, Karnai
I Volkes nahm die Musik Besonderheiten und Tutak. Diese Instrumente
stets einen besonderen Platz unterscheiden sich durch ihre
ein. Theoretische Abhandlun- der traditionellen Toneigenschaften – Nai und
gen über die Musik wurden Surnai sind melodische Instru-
bereits unter den Sassaniden Musikkultur mente, die Karnai begleitet
geschrieben, der Musiker und festliche Großereignisse wie
Dichter Borbad (585 bis 636) etwa eine Hochzeit, Schaipur
begründete das klassische und Nafir sind heute weniger
tadschikisch-persische Musik- im Gebrauch, sie zeigten tradi-
system. Unter den Samaniden tionell den Beginn einer Jagd
trugen mit Blick auf die wis- oder Kriegshandlung an. Die
senschaftlich-theoretische In- sche Anthologien und Samm- strument Tanbur, die Flöte Nai, tadschikischen Schlaginstru-
terpretation und die Verallge- lungen von Poemen, darunter das Saiten-Bogen-Instrument mente dienen der Dramatur-
meinerung der wissenschaftli- „Poesie des Schaschmaqom“, Gidschak, das bereits 5 000 gie, sie bestimmen Rhythmus
chen Ideen der persischen, „Lieder des Schaschmaqom“ Jahre alt ist. Andere Instru- und Zeit der Darbietung, dazu
mittel- und ostasiatischen Mu- und „Abhandlung über das mente, wie Aulos (Blasinstru- gehören Doira (Daf), Tabl,
sik die Gelehrten Abu Nasr Fa- Schaschmaqom“. ment), Barbat (gezupfte Lau- Tablak, Koschug und andere.
rabi (870 bis 950), Ibn Sino Die tadschikischen Musik- te), Kobuz (Kurzhalslaute) und Die tadschikischen Instru-
(980 bis 1037) und Ibn Seila instrumente haben eine lange Nafir (Kegeloboe), gerieten in mentenbauer nutzen für ihre
(gestorben 1048) bei. Berühm- Bau- und Entwicklungsge- Vergessenheit oder wurden Instrumente Holz des Maul-
te Vertreter der tadschikischen schichte. Im Museum der Mu- von neuen Instrumenten ab- beer-, Walnuss- oder Apriko-
Wissenschaft und Literatur, sikinstrumente in Duschanbe gelöst. Von den mehr als sieb- senbaums. Manche Saitenin-
darunter der Begründer der kann man sich auf das Treff- zig verschiedenen Instrumen- strumente, wie die Sato (Se-
tadschikisch-persischen Lite- lichste mit unterschiedlichen ten, die in schriftlichen Quel- tar), haben heute Metallsai-
ratur Abuabdullo Rudaki, leis- Arten von Instrumenten be- len zur Musik der Tadschiken ten, doch bei den meisten In-
teten einen gewichtigen Bei- kannt machen, darunter his- aufgeführt sind, sind heute strumenten sind die Saiten aus
trag zur Musikkunst und hin- torischen und solchen, die ur- noch mehr als zwanzig ver- Schafsdarm oder Nylon. Die
terließen ein reiches musikali- sprünglich aus dem Pamir breitet. natürliche Bespannung der
sches Erbe. Ende des 11. und kommen. Gesammelt hat sie Die tadschikischen Musik- Schlaginstrumente ist eine
Anfang des 12. Jahrhunderts der tadschikische Schauspieler instrumente werden ihrem Auf- Membran zumeist aus Ziegen-
schrieb Muchammad Nischa- und Musiker Gurmindsch Saw- bau, ihrer Nutzung und ihren oder Schafleder, teilweise wird
puri seine „Abhandlung zur kibekow (1929 bis 2003). Sein Besonderheiten nach unter- aber auch Fischhaut genutzt.
Musik“. Muchammad Omuli Sohn, der Musiker und Kom- schiedlichen Gruppen zuge- Der mit einer Membran be-
widmete sich im 13. Jahrhun- ponist Ikbod Sawkibekow, ordnet: Saiten-Zupfinstrumen- spannte Hohlkörper bei Tabl
dert in seinem Werk „Glanz führt die Arbeit seines Vaters te, Streich-Bogeninstrumente, und Tablak besteht aus Metall
der Wissenschaften“ der Mu- fort. Das Museum ist jedoch Seiten-Schlaginstrumente so- oder Ton.
sik. Abduracham Dschami und nicht nur Museum, sondern wie Blas- und Schlaginstru- Der Instrumentenbau ist ei-
Kamoliddin Binoi legten im auch Ort des Austauschs und mente. ne Kunst und setzt hohe Meis-
15. Jahrhundert neue „Ab- des gemeinsamen Musizierens Saiten-Zupfinstrumente terschaft und hervorragende
handlungen zur Musik“ vor. Im sowie von Meisterklassen und werden mit einem Plektrum Kenntnisse des Materials vor-
19. Jahrhundert erarbeiteten Konzerten. gespielt, dazu gehören Rubob, aus. Viele traditionelle Instru-
unter Leitung des Musikwis- Einige Musikinstrumente, Tanbur, Tor, Duto, Dutor-Bam. mente setzen sich aus ver-
senschaftlers Achmad Donisch die es bereits seit Hunderten Ein jedes dieser Instrumente schiedenen Teilen unterschiedli-
herausragende Fachleute des von Jahren gibt, werden auch zeichnet sich durch eine eige- cher Holzarten – harten und
Schaschmaqom, einer Form heute noch gespielt, wie etwa ne Ausführung und einen ei- weichen – zusammen.
der klassischen Hofmusik, Ab- das Saiten-Schlaginstrument genen Klang aus. Zu den Falak bedeutet buchstäb-
handlungen, musikalisch-lyri- Tschang, das Saiten-Schlagin- Streich-Bogeninstrumenten lich „Himmel“, „Schicksal“,
gehören Gidschak, Sato und „Universum“. Es ist eine Musik
Kobus. Ihre Töne sind ange- aus dem Pamir und dem südli-
as Musikerbe der Tadschiken ist reich und regional viel- nehm für das Ohr. Im Mittelal- chen Tadschikistan. Falak ist
D fältig – wichtige Musikgenres sind Schaschmaqom, eine ter spielte man Rubob und Ka- ein musikalisch-lyrisches Gen-
Form der klassischen Hofmusik, im Norden und Westen des montscha ebenfalls mit Hilfe re mit philosophischen Inhal-
Landes und Falak, ein musikalisch-lyrisches Genre mit philo- eines Bogens und entlockte ten. Dichterische Formen wie
den Instrumenten erstaunlich Rubai (Vierzeiler) liegen ihm
sophischen Inhalten, im Osten und Südosten des Landes. Das
hohe und zarte Töne. Auf zugrunde. Die Lyrik umfasst
Repertoire der Volkslieder und -melodien ist überaus reich,
Streich-Schlaginstrumenten religiös-mystische Themen wie
Musik begleitet alle Lebensbereiche. Musiziert und gesungen
werden die Töne durch das göttliche Liebe, Trennung und
wird zu festlichen bis hin zu familiären, lebenszyklischen und
Schlagen oder Streichen der Wiedervereinigung, oft basie-
gemeinschaftlichen Anlässen. Entsprechend alt ist die Ge- Saiten mit Stäbchen erzeugt, rend auf der persischen Sufi-
schichte der Musikinstrumente, die jedoch über den Zeiten- hierfür steht die Tschang. Die Dichtung oder weltlichen, me-
verlauf Veränderungen und Weiterentwicklungen erfahren Konun wird mit den Fingern lancholischen Dichtungen. Be-
haben. geschlagen, was einen ande- sungen werden Träume und
ren Klang hervorruft. Zu den Erwartungen, die Liebe des
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