Page 51 - Wostok-Sonderausgabe über Tadschikistan
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03-4-2021 Spezial 48-51 Kunsthandwerk neu_02/10 10-15  19.08.21  19:17  Seite 51


                                                                       Reiches Kunsthandwerk


               nenräume,  darunter  des  Gä-  tionell  Samarkand,  Buchara,  Traditionelle Zentren der We-  men – etwa den des Meisters
               stezimmers. Gefertigt wurden  Chudschand  und  Istaraw-  berei waren in den von ethni-  wie Sochti Mansuri („Mansurs
               allerlei Decken, Kissenbezüge,  schan.               schen  Tadschiken  besiedelten  Meisterstück“),  aus  assoziati-
               Wand-  und  Gebetsteppiche.  Die  Tschakan-Stickerei  ist  Gebieten  neben  Buchara  und  ven Tierbildern wie Koklik kuzi
               Der Susani, buchstäblich „der  in Kulob, Garm, Darwas, Kara-  Samarkand Chudschand, Ista-  („Rebhuhnauge“) oder pari to-
               mit der Nadel gefertigte“, hat  getin und Gorno-Badachschan  rawschan,  Pendschikent  und  wusi  („Pfauenrad“),  bezogen
               dabei einen besonderen kom-  weit verbreitet. Wenn wir uns  Kanibadom sowie einige Dör-  auf die Farbgebung wie Scha-
                                                                                               rak („Morgendämmerung“).
                                                                                                 Eine  leider  fast  in  Verges-
                                                                                               senheit  geratene  Volkskunst
                                                                                               ist der Musterdruck auf Baum-
                                                                                               wolle oder Leinen. Seit dem 8.
                                                                                               Jahrhundert  fanden  handbe-
                                                                                               druckte Stoffe weite Verbrei-
                                                                                               tung in ganz Zentralasien, den
                                                                                               größten  Aufschwung  erlebte
                                                                                               dieses Kunsthandwerk im 17.
                                                                                               Jahrhundert. Der Musterdruck
                                                                                               vereint  die  Schnitzkunst,  die
                                                                                               künstlerische  Gestaltung  und
                                                                                               die Naturfarbenherstellung. Je-
                                                                                               der Stempel hat seine eigene
                                                                                               Funktion – längliche, schmale
                                                                                               Stempel  für  die  Randgestal-
                                                                                               tung  und  die  Abgrenzungen
                                                                                               innerhalb  des  Feldes,  runde
                                                                                               Stempel,  für  Rosetten,  unre-
                                                                                               gelmäßige für kalligraphische
                                                                                               Schriftzüge,  rechteckige  für
                                                                                               Ornamentfolgen  oder  für
                                                                                               Stengel und Blätter von stili-
                                                                                               sierten  Blumen,  halbkreisför-
               positorischen  und  ornamen-  an  den  Auftritt  der  tadschi-  fer im Hissar-Tal und im Ge-  mige  um  ornamentale  Run-
               talen Aufbau und kann bis zu  kisch-russischen Sängerin Ma-  biet Chatlon. Die gegenwärti-  dungen  zu  schaffen.  Aus  all
               sechs  Metern  lang  und  drei  nizha für Russland beim Euro-  ge Tradition der Webstoffe bil-  diesen  Einzelelementen  ent-
               Metern breit sein. In Istaraw-  vision Song Contest 2021 erin-  dete sich vor allem im 18. und  stand dann das gedruckte Bild,
               schan  sind  Hauptmotive  Ro-  nern, so brachte sie mit ihrem  19.  Jahrhundert  heraus.  Ge-  das  in  sich  oft  eine  Rosette,
               setten  und  blühende  Büsche  ersten,  überaus  farbenfrohen  webt wurden Baumwollstoffe  stilisierte  Lebensbäume  oder
               oder  Blumensträuße,  die  in  Kostüm  genau  die  Tschakan-  – Kalami, Alatscha, Susi, Tschit  Blumenarrangements aufwies
               Reihen innerhalb eines großen  Stickerei in den Fokus. Mit der  – vor allem von Frauen, Sei-  und  einen  inneren  Rahmen
               ornamentalen Musters arran-  Tschakan-Stickerei   werden  den-  und  Halbseidenstoffe  hatte,  dem  oft  ein  breiteres
               giert werden. In Pendschikent  Ornamente, Blumenbilder und  waren mehr oder weniger eine  Rahmenfeld folgte. Beliebt bei
               wird  auf  weißen  Stoff  mit  Symbole  mit  ungemein  far-  Männerdomäne.  Seidenstoffe  den Tadschiken waren die Far-
               schwarzen  Fäden  die  Orna-  benfrohen  Fäden  auf  Baum-  sind Schochi, Atlas, Khanatlas,  ben  Rot  und  Schwarz  auf
               mentik aufgestickt (Weiß und  woll-,  Baumwoll-Seide-,  sel-  Halbseidenstoffe  sind  Beka-  weißem Leinen.
               Schwarz, Leben und Tod gehen  tener  Seidenstoffe  aufgetra-  sab,  Banoras,  Basma,  Adras  Wir haben hier nicht über
               Hand  in  Hand),  dazwischen  gen. Es sind vor allem symboli-  und Bachmal. Das Weben von  die künstlerische Decken- und
               werden,  gleichsam  tanzend,  sche  Darstellungen  und  my-  Wollstoffen war vor allem in  Wandbemalung berichtet, ob-
               rote  Blüten  platziert,  die  die  thologische Bilder, die mit der  Karagetin,  im  Hochland  von  wohl  sie  so  augenscheinlich
               Glücksmomente im menschli-  Natur  und  dem  Kosmos  ver-  Darwas und im Pamir verbrei-  ein  Element  des  künstleri-
               chen  Leben  symbolisieren.  In  bunden  sind.  Die  Rosette  ist  tet. Aus Schaf- und Kamelhaar  schen Schmucks von Gebäude
               Chudschand wiederum ist auf  hier etwa eine Mohnblüte, wir  wurden Stoffe für Mäntel und  ist. Wir haben das Filzen, das
               einem  gedeckten  Farbhinter-  finden den aus unterschiedli-  Jacken  für  Männer  gewebt,  Bastmattenflechten, die Spin-
               grund ein beliebtes Motiv der  chen  Elementen  zusammen-  die  in  einer  Lösung  aus  Erb-  nerei  ausgespart,  sind  nicht
               Granatapfel,  das  Symbol  der  gesetzten  stilisierten  Lebens-  senmehl  eingelegt  wurden,  auf  das  Strickflechten,  die
               Fruchtbarkeit. Die Susanis aus  baum,  beliebte  Motive  sind  um sie dichter und fester zu  Steinschnitzerei und viele an-
               dem  Süden  hingegen  weisen  das  Pfauenrad,  der  Hahnen-  machen. Seiden- und Halbsei-  dere Arten des Volkskunstge-
               große  Blüten  und  zoroastri-  kamm, Sonne, Mond, Sterne,   denstoffe wurden vor allem im  werbes  eingegangen.  Es  sind
               sche Symbole auf, die etwa für  Das Weben zählt zu den al-  Ferganatal  gefertigt,  also  im  bereits viele Volkskunstgewer-
               Erde, Wind, Feuer und Wasser  ten, schon in der Jungsteinzeit  Norden,  dabei  wurden  die  bezentren neu entstanden, es
               oder für die vier Himmelsrich-  (Neolithikum) anzutreffenden  Stoffe  in  Abrbandi-Technik  wurden  Bildungs-  und  Trai-
               tungen stehen, bestimmte Blü-  Formen  der  Volkskunst,  so  gefärbt, dabei bindet man Fä-  ningseinrichtungen  eröffnet,
               ten  und  Kreise  symbolisieren  stammen archäologische Fun-  den zu Strängen und gibt je-  es gibt Hoffnung, dass die kul-
               dabei die Sonne. Zentren der  de von Seidenstoffen aus dem  dem Knoten eine eigene Fär-  turelle Erinnerung des Volkes
               Susani-Stickerei  waren  tradi-  2. Jahrtausend vor unserer Zeit.  bung. Die Muster hatten Na-  bewahrt wird.

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