Page 66 - Wostok-Sonderausgabe über Tadschikistan
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Länderspezial Tadschikistan
eine Kindheit – zehn blättern oder anderen Blüten.
Jahre insgesamt – Das beste Geschirr für die Tee-
M verbrachte ich in Tadschikischer Palow – party ist eine Porzellanschale,
Zentralasien, genauer in der innen mit weißer Glasur. Darin
Karakum-Wüste am Fluss Amu- eine erhält Grüner Tee eine ange-
Darja in der Turkmenischen nehme Farbe. Auch die Tee-
SSR. Das war Mitte der 1950- Kindheitserinnerung kanne ist aus Keramik, so
er Jahre, und besonders in Er- bleibt das Aroma des Tees lan-
innerung blieben zahlreiche ge erhalten. Tadschiken fügen
Reisen mit meinen Eltern – dem Tee nichts hinzu, bei ih-
durch Turkmenistan, Usbeki- nen heißt es: „Tee hat seinen
stan und Tadschikistan. eigenen Geschmack, Zucker
Kurgan-Tjube (heute: Ku- hat den seinigen.“
lob). Der Frühling in Tadschiki- es, wenn sein Palow gelobt de! Turkmenen sind wunder- Im Allgemeinen haben die
stan ist noch jung. Wir – Ma- wurde, sich alle die Lippen bare Reiter. Und ihr Beschbar- Tadschiken viele Sprichwörter
ma, Papa und ich – streben leckten und anderen erzähl- mak (Nudel-Fleisch-Gericht) über das Essen, darunter na-
zum Basar im Herzen der Stadt ten, dass Wassili Iwanowitsch ist köstlich, ja, aber Palow ist türlich über Palow: „Beeilen
und dort in die Tschaichana Kuschtewski den köstlichsten immer noch schmackhafter...“ muss man sich bei der Arbeit,
(Teehaus). Hier arbeitet der le- Palow zubereitet! Meine Eltern Tatsache ist, dass die Ta- nicht beim Essen.“ „Allah, gib
gendäre Teestubenbesitzer und lernten sich nach dem Krieg in dschiken seit Jahrhunderten mir Palow, so lange ich Zähne
zugleich Koch Meister Fai- Zentralasien kennen, mein Va- Bauern waren und viel über habe“, „Es wäre gut, in der Fas-
zullo. Der Basar quillt über mit ter arbeitete als Arzt im Dorf Reis und Gewürze wussten. tenzeit Palow zu essen“, „So
Bergen von Lepjoschki (tradi- Dargan Ata, meine Mutter Die Turkmenen und Usbeken sehr ich auch überlege, etwas
tionelles Fladenbrot), Gemüse, wurde dorthin als junge Apo- waren der Viehzucht nachge- Besseres als Palow kann man
Gewürzen, Süßigkeiten und thekerin geschickt. Er lud sie hende Nomaden. Ihre Fleisch- sich nicht ausdenken.“
Früchten. Die erhitzten Esel zu Besuch ein und versuchte, gerichte, wie eben Beschbar- Nach dem Tee kamen wir
scheinen zu dampfen. An der das Abendessen ästhetisch- mak, waren einfach göttlich, zum Wichtigsten – Palow!
Ecke der Tschaichana raucht kulinarisch zu gestalten. Nun und Palow, wo Reis, Fleisch, Selbst die Art des Palow muss
der bis zum Rand mit Palow ja, mit seinem Palow hatte er Gewürze und Gemüse zusam- unbedingt die Phantasie ar-
gefüllte gusseiserne Kasan wie stets überwältigenden Er- menkamen, war die Kunst der beiten lassen und die Lust an-
(weiter Topf), in der Nähe wird folg. Ich habe die väterlichen Tadschiken. regen – heißt es bei den Ta-
Schaschlik gebraten, und im Neigungen übrigens geerbt Die sesshafte und die dschiken. Die schlechte Zube-
tönernen Tandyr (Lehmofen) und mehrere Kochbücher ge- nomadische Welt in Zentral- reitung von Palow ist kriminell,
werden Samsa (Fleischpaste- schrieben. asien koexistierten und er- da „die meisten Krankheiten
ten) gebacken. Zurück zu Meister Faizullo, gänzten sich seit Jahrhunder- durch den Mund kommen“,
Der offene Teil des Teehau- mit dem Vater gern über das ten. Die Nomaden brauchten aber so fügt Meister Faizullo
ses – Aiwan genannt – ist leer, Leben im Allgemeinen und das Brot, Gemüse, Stoffe, hand- mit einem Lächeln hinzu: „Die
wir gehen ins Innere, hier sit- Leben der Völker Zentralasiens werkliche Erzeugnisse der Ta- meisten Schwierigkeiten im
zen die Tadschiken und trin- im Besonderen sprach. Und das dschiken. Die Sesshaften wie- Leben kommen ebenfalls aus
ken ihren Tee. war interessant: Sobald die derum kauften Fleisch, Felle dem Mund.“ In Tadschikistan
Mit Meister Faizullo pflegte Rede auf Palow kam, sagte der und Wolle von den Nomaden. ist man sich sicher, dass der
mein Vater eine lange Freund- Meister: „Usbeken, natürlich, Die Stärke der Nomadenküche Koch den Palow so zubereiten
schaft. Mein Vater selbst war das sind tolle Hirten! Ein Usbe- waren Milchprodukte. Joghurt kann, dass er „das Blut nährt
ein großer Meister und Kenner ke schaut sich nur den Widder auf turkische Art ist „saure und erfrischt“. Essen, und be-
dieses wohl beliebtesten Ge- an – und kann dir direkt sagen, Milch“. Turkmenen zum Bei- sonders ein guter Palow, kann
richts in Zentralasien – Palow. wo er weidet und ob das spiel waren besonders raffi- einen Menschen trösten, der
Er behauptete, dass man ihn Fleisch von guter Qualität ist." niert in der Herstellung von in Schwierigkeiten oder ein-
aus jedem Anlass kritisieren Nach kurzem Schweigen fügte Gerichten aus saurer Milch. sam in einer fremden Welt ist.
kann, aber nicht für den von der Meister unbedingt hinzu: Die Gründe liegen auf der Der Palow in der Tschaicha-
ihm zubereiteten Palow! Mein „Aber ihr Palow ist unserem Hand: Unter den Bedingungen na von Meisters Faizullo war
Vater hat natürlich übertrie- tadschikischen doch unterle- ihres Lebens konnten sie Milch so, dass jeder, der ihn einmal
ben, aber nicht zu sehr. Palow gen!“ Kam die Rede auf Turk- nicht frisch lagern, sie erfan- gekostet hat, verstand: Dieses
war wirklich gleichsam sein menen, so trug Faizullo wieder den daher viele Rezepte zur Gericht ist höchste tadschiki-
Markenzeichen, und er liebte das Seinige bei: „Was für Pfer- Verarbeitung von Milch, um sche Kochkunst!
die Erzeugnisse dann beque- Der Reis war eine besonde-
mer transportieren zu können re Sorte des tadschikischen
alow, Plow, Pilau, Pilaw – es geht um ein Reisgericht, dass und Milchprodukte nicht ver- „Langkorn Spitzenreis", das
Pals Nationalgericht vieler orientalischer Völker gilt, so derben zu lassen. Fleisch von einem zarten jun-
auch der zentralasiatischen. Jedes Volk, jede Region, manch- In Faizullos Tschaichana gen Lamm, dazu Gemüse und
mal jedes Dorf unterscheidet sich in der Zubereitung. In Zen- wurde natürlich zunächst Tee tadschikische Gewürze und
gebracht. In Tadschikistan gibt Kräuter. Es sind gerade die Ge-
tralasien werden sogar Plow-Wettkämpfe ausgetragen. Tatja-
es viele Sorten Tee, von tradi- würze, die den tadschikischen
na Kuschtewskaja wirbt für den Palow der stets sesshaften Ta-
tionellem Grünen Tee bis hin Palow von usbekischem, kirgi-
dschiken.
zu Blütentee – aus getrockne- sischem und turkmenischem
ten Jasminknospen, Rosen- Plow unterscheiden.
66 Wostok-Spezial 3-4/2021