Page 30 - Wostok-Sonderausgabe über Tadschikistan
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Länderspezial Tadschikistan
hen mittelalterlichen Kultur Im Rahmen des Sama- serungsanlagen und töteten Bewässerungssysteme und da-
Zentralasiens war Pendschi- nidenstaates endete der Pro- die Bevölkerung. Das Territori- mit zum Niedergang der Land-
kent. Seine Palast- und Kult- zess der Herausbildung des ta- um Tadschikistans wurde Teil wirtschaft. Oft wurden ganze
bauten, Repräsentationsräum- dschikischen Volkes, und dabei des Tschagatai-Ulus (Khanat) Gebiete verwüstet. Es ver-
lichkeiten, mächtige Skulptu- spielte die zu dieser Zeit ent- des mongolischen Reiches. stärkte sich der Charakter der
ren und farbintensiven Fres- standene westiranische ta- Ab dem Ende des 10. Jahr- Klassengesellschaft: Den Bau-
ken mit epischen Themen zeu- dschikische Sprache eine im- hunderts wurde die sesshafte ern und Handwerkern standen
gen vom hohen Niveau des mens wichtige Rolle. Tadschi- tadschikische Bevölkerung in die feudalen Großgrundbesit-
Schöpfertums, der Kunst und kisch verdrängte allmählich mehr oder weniger hohem zer gegenüber – der Khan und
Architektur der damaligen die lokalen ostiranischen Spra- Maße von turkischen und tur- seine Würdenträger, der Mi-
Zeit. Von Anfang des 8. Jahr- chen und wurde in der Sama- kisch-mongolischen ethnischen litärstand, die dem Klerus an-
hunderts stammen sogdische nidenzeit zur vorherrschenden Gruppen durchdrungen. Dies gehörenden Großgrundbesit-
Schriftdenkmäler, die bei Aus- Sprache. In der tadschikischen führte in einigen Flachlandre- zer und andere Geistliche. Die
grabungen der Bergfestung Sprache entwickelten sich die gionen zur Turkisierung der Bauern, die auf staatlichem
Kalai-Mug im heutigen Ista- Kultur, die Wissenschaft, die Tadschiken. In den Bergregio- und in Privateigentum befind-
rawschan gefunden wurden. Literatur und die Kunst des nen und in den Städten war lichem Land, darunter den
Die feudalen Burgen des frü- Samanidenreiches. der Turkisierungsprozess we- Ländereien der feudalen Guts-
hen Mittelalters wurden stark Anders verliefen die ethni- niger intensiv. besitzer, arbeiteten, mussten
befestigt, wie etwa die Burg schen Prozesse in den Gebie- Im 14. Jahrhundert war Ta- wie die Handwerker gewaltige
Kalai Bolo in der Nähe von Is- ten des Pamir. Aufgrund seiner dschikistan Teil des riesigen, Steuern und Abgaben leisten,
fara. geografischen Isolation und sich vom Indus bis zur Wolga befanden sich aufgrund von
Ab der zweiten Hälfte des 7. einer Reihe historischer und und von Syrien bis China er- Schulden in ständiger Abhän-
Jahrhunderts kämpften die sozioökonomischer Faktoren streckenden Reichs Amur Ti- gigkeit, gingen in Konkurs und
Sogdier und Tocharer wie an- blieb der Pamir an der Peri- murs, im 15. Jahrhundert dann verelendeten. Es gab Formen
dere Völker Zentralasiens ge- pherie des Territoriums, in im Bestand des Reiches der von Zwangsarbeiten, bei der
gen die arabische Expansion. dem sich die Tadschiken eth- folgenden Timuriden. Mit der die unteren Schichten zum
Doch in der Mitte des 8. Jahr- nisch herausbildeten. Deshalb Tätigkeit des Enkels Amur Ti- Bau von Palästen, Bewässe-
hunderts wurde Zentralasien entwickelten sich hier unab- murs – Ulugbek – ist der kul- rungssystemen und Straßen
von den Arabern erobert und hängige Völkerschaften mit turelle Aufstieg des Timuri- herangezogen wurden.
in das Arabische Kalifat einge- ihren eigenen, von der ta- denstaates verbunden. Ulug- Die Abgaben setzten sich
gliedert. Die Völker Zentralasi- dschikischen Sprache abwei- bek herrschte als Statthalter aus Naturalien, verarbeiteten
ens leisteten Widerstand ge- chenden ostiranischen Spra- seines Vaters in Samarkand, Produkten und Geld zusam-
gen die gewaltsame Einfüh- chen. In der ursprünglichen nachdem dieser das Machtzen- men. Besonders schwer hatten
rung des Islam und der arabi- Kultur der Bevölkerung des trum in das wieder aufgebaute es die Bauern, die Land des
schen Sprache und rebellier- Westpamir ist der Einfluss von Herat verlagert hatte. Ulugbek Feudalherrn gegen die Abgabe
ten wiederholt gegen die ara- Tocharistan, insbesondere der regierte das Timuridenreich eines Teils der Ernte bewirt-
bischen Herrscher. Besonders Kultur der Kuschan-Zeit, be- von 1447 bis 1449. In Ulug- schafteten. Es gab Sklaverei,
lang war der Aufstand unter merkbar. Die Besiedlung der beks Zeit als Statthalter fällt was sich erst veränderte, als
der Führung von al-Muqanna, schwer zugänglichen Täler am die Blüte der Wissenschaft, die Region an das Russische
der sich im Widerstand gegen Oberlauf des Pjandsch erfolg- insbesondere der Astronomie, Zarenreich fiel. Die unvorstell-
das Kalifat um 774 zum König te in Form von Migrationswel- die Arbeit berühmter Wissen- bare Armut und die Last der
von Sogdien ausrief und eine len, die aus dem Gebiet des schaftler, Literaten und Künst- Abgaben führten zu zahlrei-
eigene Münze prägte. Sein Tod heutigen Afghanistan, des ler. chen Bauernaufständen, dar-
– er nahm sich das Leben – Iran und der südlichen Regio- Im 16. Jahrhundert folgte unter 1758 in Buchara und
wird auf 779/780 datiert. Un- nen Tadschikistans kamen. der usbekische Schaibaniden- Anfang des 19. Jahrhunderts
ter der arabischen Expansion Im 10. bis 13. Jahrhundert Staat, in dessen Bestand sich in Ura-Tjube (heute: Istaraw-
wurden Kulturdenkmäler und waren die von Tadschiken be- das Territorium des heutigen schan), in Chudschand und in
Städte zerstört. Die Bevölke- siedelten Gebiete Teile unter- Tadschikistan befand. Dessen anderen Gegenden.
rung wurde mit schweren schiedlicher Reiche, darunter Hauptstadt war Buchara. Ge- Der starke Einfluss des re-
Steuern belastet, viele wurden der Gasnawiden mit dem Zen- gründet wurden die Khanate aktionären Klerus auf alle Be-
in Zwangsarbeit geschickt. trum in Ghasni (im heutigen Buchara, Chiwa und später, im reiche des Lebens des Volkes
Im 9. und 10. Jahrhundert Afghanistan), dann in Lahore 18. Jahrhundert, das Khanat beeinflusste die Entwicklung
war das Gebiet des heutigen (Pakistan), der Karachaniden Kokand. Alle wurden von Kha- von Wissenschaft und Kunst
Tadschikistan Teil des riesigen mit dem Zentrum in Balasa- nen der usbekischen Dynastie negativ; ein kultureller Nie-
Samanidenstaates, der sich gun (Kirgisistan), der Guriden regiert. Die Tadschiken lebten dergang war zu beobachten.
auf dem historisch-kulturellen mit den Zentren in Firuzkuh vor allem in den Khanaten Bu- „The Great Game“ („Das
Gebiet Mawarannahrs (Gebiet und in Ghazna (beide Afgha- chara und Kokand. Große Spiel“), die fast 100 Jah-
zwischen Amu-Darja und Syr- nistan), der Karakitaier mit Die zentralasiatischen Kha- re dauernde Rivalität des Briti-
Darja) und Chorasan (Gebiet Zentrum wieder in Balasagun. nate des 16. bis 18. Jahrhun- schen Empire mit dem Russi-
südwestlich des Amu-Darja) Die Invasion der Truppen von derts waren durch feudale schen Kaiserreich im 19. Jahr-
erstreckte. Samarkand und Dschingis Khan im 13. Jahr- Fragmentierung sowie konti- hundert um die Vorherrschaft
Buchara waren zu dieser Zeit hundert traf auf erbitterten nuierliche Kriege und Ausein- in Mittelasien und die Auswei-
große Zentren des Handwerks Widerstand aller zentralasiati- andersetzungen gekennzeich- tung der Absatzmärkte, hat
und Handels, der Wissen- schen Völker. Die Eroberer zer- net. Äußere und innere Kriege den Beitritt Zentralasiens zu
schaft, Literatur und Kunst. störten Städte, Dörfer, Bewäs- führten zur Zerstörung der Russland beschleunigt. Ent-
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