Page 48 - Wostok-Sonderausgabe über Tadschikistan
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Länderspezial Tadschikistan
ie ethnische, kulturelle, Stirnbänder etwa bestehen
klimatische und natur- aus filigranen durch eine Kette
D bedingte Vielfalt Ta- Das Kunsthandwerk verbundenen Silberplättchen,
dschikistans spiegelt sich in an deren unterem Rand kleine
der Kunst und im Kunsthand- spiegelt Anhänger befestigt sind. Die
werk wider. Für den Norden Kopfhauben laufen in stilisier-
Tadschikistans sind feine Or- eine große Vielfalt ten Augenbrauen aus. Ein
namentik, filigrane Holz- und Schmuckset besteht in der Re-
Steinschnitzereien sowie or- gel aus Ohrringen, Hals-
namentale Malerei typisch. Im schmuck, Armband und Ring.
Süden hingegen dominieren In Pendschikent, Chudschand,
strenge monumentale, majes- Istarawschan, Kulob und His-
tätische Formen mit urtypi- sar findet man noch heute
schen und reliktartigen Moti- tigten Schwertern und Säbeln Perlen, Korallen, Perlmutt und Stadtteile und Dörfer, die in
ven, die weit zurück in die einen Namen in der gesamten Glasperlen, seltener mit Kar- ihrem Namen auf die hier
Jahrhunderte gehen. Region machten. Die Griffe ih- neolen oder Türkisen reich ge- (einst) ansässigen Juwelier-
Bei der kunsthandwerkli- rer Erzeugnisse waren aus El- schmückt wurde. Aber auch meister verweisen.
chen Verarbeitung von Metall fenbein und verziert mit Gold- Gold, Kupfer und Messing Kulolgari, die Keramikkunst,
wurde zumeist Gold, Silber, und Silberdekor. Auch die wurden verarbeitet. Eingear- war bereits im 5. Jahrtausend
Kupfer und Bronze verwendet. Kunst der Messerschmiede war beitet werden zoomorphe und vor unserer Zeit in Tadschiki-
Das Metall wurde ziseliert, in alten Zeiten in vielen ta- florale Elemente, Sonnenzei- stan bekannt. Ihre Erzeugnisse
graviert, gegossen, verzinnt dschikischen Städten und Sied- chen, kalligraphische Zeichen. dienten im Zeitenlauf unter-
oder geprägt, oft mit Edelstei- lungen hoch entwickelt. War Den Schmucksteinen wurde schiedlichen Zwecken. Das
nen oder Email besetzt. Ab das Messer doch auch ein un- magische Kraft nachgesagt, so war einerseits das Schmücken
dem 15. Jahrhundert verzierte benehmbares Attribut des sollte der Karneol Frieden und von Gebäuden mit glasierten
man Metallerzeugnisse gerne Mannes. Messer gab es in ver- Wohlstand bringen, Korallen Keramikplatten, und das war
auch mit Elfenbein, das zu- schiedenen Größen und Aus- standen für Reichtum und andererseits die Herstellung
meist für ornamentale Motive stattungen, die Griffe waren Fruchtbarkeit, Perlen heilten von Haushaltsgegenständen
oder Schriftzüge verwendet aus Knochen oder Horn und von Krankheiten und schütz- und auch Spielzeugen. Große
wurde. Hergestellt wurden ver- mit unterschiedlichen Verzie- ten vor Unglück und Leid. Zentren des Kreamikhand-
schiedene Arten von Geschirr, rungen, darunter mit Türkisen Junge Frauen trugen tradi- werks waren Chudschand, Is-
wie etwa Teekannen, Krüge und Silber, geschmückt. Auch tionell viel Schmuck, lange fara, Istarawschan, Hissar, Ka-
mit Tülle zum Waschen, Hand- heute noch ist Istarawschan Ohrringe, Brustschmuck, zahl- ratag, Kanibadom, Denau,
waschbecken, Schalen, Schüs- im Norden Tadschikistans ei- reiche Ringe und Armreifen, Darwas, Dastidschum und Ku-
seln, Becher, Teller, Kannen, nes der Zentren der Messer- besonders reich war der Hoch- lob. Gefertigt wurden Teller
Tabletts, Gefäße mit und ohne schmiedekunst, von hier kom- zeitsschmuck. Frauen im Alter (Tabok) verschiedener Formen
Deckel und andere Haushalts- men fein gearbeitete Messer ab 40 Jahren trugen nur noch und Größe, Gefäße (Churma,
gegenstände, darunter Spuck- für jeden Gebrauch. einfache Ringe und Ohrringe. Churmatscha, Tschorguscha,
näpfe, Kerzenhalter und Räu- Die tadschikischen Juwelie- Weit verbreitet waren Amu- Durguscha), große und kleine,
cherpfannen. re beherrschten das Ziselieren, lette, die an einer Kette um einfache und kompliziert auf-
In früheren Zeiten waren Gießen und Prägen. Für Einle- den Hals getragen wurden. In gebaute Schüsseln (Piala, Ko-
die Waffenschmiede Tadschi- gearbeiten nutzten sie ge- ihnen wurde ein Gebetstext sa, Schokosa), Krüge (Kusa und
kistans bekannt, so gab es im schliffene Edelsteine. Das be- aufbewahrt und sie galten als Oftoba) und Untersetzer. Man
19. Jahrhundert in Karatag 32 liebteste Metall war Silber, das Schutz vor bösen Geistern. nutzte die Töpferscheibe oder
Schmiede, die sich mit ihren mit ziselierten oder geprägten Übrigens auch Männer trugen die Modelliertechnik, wobei an
aus Damaszener Stahl gefer- Ornamenten verziert und mit Schmuck: Ringe und mit Gold- der Töpferscheibe vornehm-
und Silberplatten geschmück- lich Männer arbeiteten, wäh-
te Gürtel. rend Frauen die Keramik mit
as Kunsthandwerk Tadschikistans ist reich – es umfasst Zwar blickt die Juwelier- der Hand modellierten. Im
D die Präger, Gießer, Graveure und Verzinner von Metall, die kunst auf eine lange Geschichte Norden dominierten Männer
Juwelierkünstler, die Schmiede und Messerschmiede, die Ke- zurück, doch die Juweliertra- die Töpferkunst, im Süden
ditionen, die bis in unsere Zeit Frauen.
ramikkünstler, die Holz-, Stein- und Alabasterschnitzer, die
wirken, bildeten sich erst im Die auf der Töpferscheibe
Textilkünstler – von Weben, Seidenweben, der Stickkunst,
16. bis 19. Jahrhundert heraus. gefertigte Keramik aus Isfara,
dem Stoffdruck und Patchwork bis hin zu Wollarbeiten. Dabei
Dabei unterscheiden sich die Chudschand, Istarawschan und
weist jede Region in ihrem Kunsthandwerk eigene Besonder-
Schmuckarbeiten nach Regio- Kanibadom weist vorwiegend
heiten auf. Meist blicken die Kunsthandwerke auf eine lange nen, nach Material, Formen Pflanzenmotive auf. Die gla-
Geschichte zurück. Über die Zeitenläufte erlebten sie Verände- und Kompositionen. Der Frau- sierte Keramik aus Istaraw-
rungen und Innovationen. Im Rahmen der Zunahme des Kul- enschmuck lässt sich in Grup- schan und Pendschikent ist
turtourismus erleben viele Handwerke eine Wiedergeburt. Ge- pen gliedern: Arm-, Hand- und geprägt von der Farbkombi-
gründet wurden zahlreiche Bildungszentren, in denen vor al- Fingerschmuck sowie Hals-, nation Gelb und Grün. In Kani-
Brust- und Kopfschmuck. In badom bevorzugt man Weiß,
lem Frauen ein Kunsthandwerk erlernen, um ihren Lebensun-
den tiefer gelegenen nördlichen Türkis und Grün und in Chu-
terhalt zu sichern.
Regionen kennt man mehrere dschand Rosa und Smaragd-
Arten von Kopfschmuck – die grün.
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